Es gibt gelegentlich eine gewisse Verwirrung bezüglich der Begriffe Coaching und Beratung. Manche Autoren sehen fundamentale Unterschiede. Sind diese nur akademisch? Mit einem kleinen Trick kann man Sach-Probleme komplex machen.
Wesentlicher Unterschied zwischen Coaching und Beratung? Die Aufgabenstellung und der dazu passende Lösungsweg. Einfache und komplizierte Probleme sind häufig „Sachthemen“ und durch definierte, oft reproduzierbare Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Geeignete Kognition und Expertise führt zur Lösung. Bei Beratung geht es um Expertise.
Komplex werden Probleme, wenn Menschen, d.h. „psycho-soziale Systeme“ involviert sind. Coaching bietet durch Intuition Vorgehensweisen, welche mit den Eigenheiten solcher Systeme „spielen“ und ihnen dabei selbst die Lösungen „entlocken“.
Als ich über die Antwort zu dieser Frage „Unterschiede von Coaching und Beratung“nachdachte, erhoffte ich mir Hilfe durch Bilder zum jeweiligen Thema. Interessanterweise sehen diese aber häufig gleich aus, unterscheiden sich nur durch Text. Was hat das zu bedeuten?
Es geht bei Coaching und Beratung immer um Transformation
Coaching und Beratung oder Mischformen davon (das nennen manche dann „Komplementärberatung“) kommt immer dann ins Spiel, wenn Veränderungen, Transformationen im Raum stehen. Transformation wird benötigt, wenn es „so“ nicht mehr weiter gehen soll. Vielleicht sind daher die metaphorischen Bilder immer sehr ähnlich? Weil sie immer von Transformation handeln?
Die unterschiedlichen Problemtypen brauchen spezifische Lösungen
Probleme kann man als Soll-Ist-Diskrepanz beschreiben.
Einerseits gibt es sachbezogene Soll-Ist-Diskrepanzen. Sie sind gekennzeichnet durch kausale Abhängigkeiten, also Ursache-Wirkung-Logik. Logik, Kognition, Expertise ist das Stichwort. Mit der jeweiligen „Schwere“ des Problems angepasster Expertise lässt sich das lösen.
Andererseits gibt es psycho-soziale Soll-Ist-Diskrepanzen. Man kann sie nicht auf eine „lösbare Ursache“ zurückführen. Insbesondere deswegen, weil Menschen beteiligt sind und jeder Mensch eine unterschiedliche Sichtweise auf das Thema hat. Und selbst jedes Individuum gleichzeitig mehrere Sichtweisen hat. Dies zeigt sich im Wort „eigentlich“. „Eigentlich wäre das ganz einfach (wäre da nicht meine Mutter…)“. Sie sind also gekennzeichnet durch Menschen und deren dynamisch und komplex miteinander vernetzten Zusammenhänge. Veränderung von Blickwinkeln, Horizonterweiterung, Neubewertungen etc. können solche Themen lösen.
Ein böser Trick verwandelt Sachprobleme in komplexe Probleme
Es braucht nicht viel, um selbst aus einem einfachen Sachproblem ein komplexes Problem zu machen.
Denken Sie an eine einfache Rechenaufgabe. Nehmen wir „Um wie viel müssen Sie den Kaufpreis reduzieren, damit er für Sie wie ‚ohne Mehrwertsteuer‘ ist?“ Keine schwere Aufgabe. um 1:1,19%. Ein bisschen Mathematik, ein bisschen Expertise also, und fertig. Sachproblem.
Aber was ist, wenn Ihnen diese Frage im Rampenlicht vor laufenden Fernsehkameras gestellt wird?
Versagen Sie, lachen alle. Oder auch nicht, aber Sie machen sich Vorwürfe, zweifeln an sich selber. Menschen sind im Spiel, Bewertungen, Beziehungen. Das anfangs einfache Sach-Problem wird komplex.
Beratung stellt Expertise bereit
Bei Beratung geht es um die Lösung von Sachproblemen. Experten, die viel können oder viel kennen, bringen ihre Sicht der Dinge und ihre Lösungsvorschläge ein. Wenn Menschen beteiligt sind, ist das allerdings niemals die „ganze Miete“. Denn die Umsetzung, die Realisierung der Lösung betrifft am Ende dann wieder Menschen. Es wird komplex. Jemand muss damit umgehen. Oft geschieht das kaum merklich, wenn etwa ein mittelständischer Geschäftsführer den Expertenvorschlag („so machen wir die neue Telefonanlage“) dann selber umsetzt, die Mitarbeiter selber „an Bord holt“.
Coaching handelt von den Wirkungen auf Menschen
Im Coaching werden typischerweise komplexe Probleme, das heisst solche im Kontext von Menschen, ihren Beziehungen und ihrer Weltsicht. Die Art und Weise, wie das Gehirn Wirklichkeit subjektiv organisiert, Wertungen gestaltet, in der Vergangenheit lebt usw. spielt hier eine große Rolle (mehr dazu hier).
Da in diesen Kontexten kein Aussenstehender eine Lösung „wissen“ kann, wird der Coach gemeinsam mit dem/den Betroffenen Lösungen im Innen suchen. Lösungen, die durch neue Bewertungen, neue Blickwinkel, neue Wege etc. gestaltet werden können. Dies kann für ein Individuum sein, oder für eine Gruppe.
Beispielsweise ist systemicPLAY® mit Methoden und Materialien von LEGO® SERIOUS PLAY® (siehe hier) eine tolles Werkzeug, um in ganzen Gruppen Potentiale zu finden und Veränderungen zu gestalten.
Coaching und Beratung: Das Etiket verändert den Wein nicht
Es spielt in der Praxis keine Rolle, ob sich eine geeignete Methode „Coaching“ oder „Beratung“ oder anders nennt. Das „Etikett“ verändert den Wein nicht. Wichtig ist, dass Sie ein Verständnis davon bekommen, welche Art von Problem sie vor sich haben, und welche Vorgehensweise zielführend ist.
Coaching ohne Beratung geht. Umgekehrt nicht.
„Das tollste Hotel nützt nichts, wenn der Mensch darin Kummer hat“. Will sagen: Die tollste Sach-Lösung hilft nichts, wenn sie die (sonstigen) Themen und Beziehungen des Menschen nicht „abholt“.
Allerdings kann (um beim Hotel-Beispiel zu bleiben) eine mäßige Jugendherberge durchaus ein „Volltreffer“ sein, wenn sie aus dem Blickwinkel der Nutzer den Zweck erfüllt.
Wer nicht will, findet Gründe. Wer will, findet einen Weg.
Beratung liefert Ihnen Argumente. Beispiel: „Die Software ist jetzt optimiert“. Der Mensch, der sie nicht nutzen will, findet dennoch Argumente dagegen. (siehe: Kann man Software coachen)
Coaching erzielt Perspektiven, Ziele, Sinn. Dann findet sich immer ein Weg. Beim obigen Beispiel der Software wäre dann das zugehörige Argument „das ist zwar jetzt nicht so super implementiert, aber das ist nicht schlimm, weil wir es dennoch hinbekommen werden“. (Siehe Vortrag: Kann man Software coachen)
Wenn Sie Interesse an Coaching oder an coachender Beratung haben, nehmen Sie gerne Kontakt auf.
Der Autor wurde von Dr. Gunther Schmidt am MEIHEI in hypno-systemischem Coaching ausgebildet. Er hat einen Mastertitel in Coaching und Organisationsentwicklung vom Institut für angewandte Psychologie an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften.